Trinkhalme aus Plastik sind eine Umweltsünde, die die EU perspektivisch verbieten möchte – sofern es eine umweltfreundliche Alternative gibt. Das Berliner Unternehmen Halm hat bereits eine Lösung parat: Mehrweg-Glasstrohhalme.
Zugegeben: Schon die Bezeichnung Glasstrohhalm ist irreführend, schließlich kommt kein Stroh zum Einsatz. Stattdessen setzt Halm bei seinem gleichnamigen Produkt auf hochwertiges, besonders stabiles Schott-Glas. Auf das schwören auch Profis wie „Winzer, Sommeliers, Spitzenköche und Ärzte“ – so heißt es von offizieller Seite. Doch das ist nicht der einzige Vorzug gegenüber herkömmlichen Trinkhalmen aus Plastik.
Glas-Trinkhalme ohne Geschmacksverzerrung
Halm wird in Deutschland mithilfe von 70 Prozent Sonnenenergie hergestellt, lässt sich dank beiliegender Bürste oder in der Spülmaschine reinigen und – das ist in meinen Augen wirklich der größte Vorteil – besitzt dank Glas keine Geschmacksverzerrung beim Genuss von Getränken. Das kann bei Trinkhalmen aus Plastik, Edelstahl oder Papier gerne einmal passieren. Ebenso finden sich in Halm keine Weichmacher und andere Schadstoffe.
Halm lässt sich beliebig oft verwenden und ist recycelbar. Vermutlich sind diese Röhrchen auch hygienischer als Lösungen aus echtem Stroh (daher der Name Strohhalm) oder Bambus. Für die Verpackung verwenden die Verantwortlichen mineralölfreie Werkstoffe. Die hierfür benötigten Ressourcen stammen unter anderem aus nachhaltiger Forstwirtschaft.
Echte Alternative zum Plastik-Strohhalm oder teures Lifestyle-Produkt?
Halm klingt also vorbildlich. Und dann nutzen die Macher auch noch 50 Prozent ihrer Erträge, um Projekte aus den Bereichen CleanUp, Bildung und Forschung rund um das Thema Plastikmüll zu finanzieren? Das eigene Motto „Profit For All“ wird durch die Zusammenarbeit mit dem Lebenshilfewerk gewissermaßen gelebt. Das selbst auferlegte Ziel ist es außerdem, als Firma komplett auf Plastik zu verzichten. Alles perfekt also?
Ich persönlich bin etwas unschlüssig. Klar ist Halm wiederverwendbar, umweltfreundlich und mit einem nachhaltigen Ansatz versehen. Doch ein Viererpack kostet im offiziellen Webstore stolze 19,90 Euro. Für einen einzelnen Glashalm zahlt ihr knapp 8 Euro. Und damit wird Halm eher zu einem Lifestyle-Produkt mit Nachhaltigkeit als „Unique Selling Point“, also Alleinstellungsmerkmal. Am Schluss bleibt es aber bei einem hohen Preis, den sich viele nicht leisten können oder wollen.
Für wen ist Halm gemacht?
Die Frage, die ich mir stelle: Welchen Markt bedient Halm eigentlich? Schätzungen der Umweltorganisation Seas at Risk zufolge werden jährlich in den 28 EU-Ländern weit über 36 Milliarden Plastikhalme weggeworfen – das sind rund 71 Stück pro Jahr und EU-Bürger. Weltweit ist sogar von drei Milliarden Einweg-Plastik-Strohhalmen die Rede, die zu großen Teilen auch in den Ozeanen landen. 3000 Tonnen Müll. Pro Tag! Allein durch Halme! Das hört sich zweifelsohne nach einer riesigen Chance für Halm an. Nur wo entsteht dieser Müll? Bei Konsumenten, die zu Hause ihren morgendlichen Smoothie schlürfen wollen? Oder doch in der Gastronomie, wo sich kostspielige Mehrweg-Lösungen schlicht nicht rentieren oder schwer mit dem eigenen Geschäftsmodell vereinbaren lassen?
Halm scheint eher mit einem Luxus-Ansatz eine entsprechende Zielgruppe anzuvisieren, der Umweltbewusstsein und Müllvermeidung am Herzen liegen, die aber auch solche Summen für Mehrweg-Trinkhalme aus Glas ausgeben kann. Die, die letztlich die Hauptschuld an den Plastikhalm-Müllbergen tragen, erreicht Halm vermutlich nicht.
Was dann?
Zweifelsohne sind Trinkhalme aus Glas bei der regelmäßigen Verwendung der sehr viel bessere Weg, als sich Plastik in den Mund zu stecken und dieses nach Gebrauch einfach wegzuschmeißen. Bei Amazon bekommt ihr einen Halm-Viererpack auch schon für „nur“ 14 Euro, Mitbewerber bieten (nicht nachhaltige) Varianten für weniger Geld an.
Halm kann vielleicht langfristig zu einem Umdenken anregen, wird aber nicht den Einweg-Plastikhalm vollständig ersetzen. Das sind dann Trinkröhrchen aus Papier, Bambus oder Bio-basiertem Kunststoff. Persönlich begrüße ich das Bestreben der EU, dem Einweg-Plastikstrohhalm, so wie wir ihn kennen, den Garaus zu machen. Aber das befürwortet mittlerweile ja sogar die Wirtschaft…
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